Ewald Nay: Unterschied zwischen den Versionen
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*Geb.: 21.12.1894 | |||
*Gest.: 4.10.1965 | |||
*Von 1946 bis 1962 Pastor in Grambke | |||
*Sein Grab befindet sich auf dem Grambker [[Friedhof]]. | |||
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'''''Reinhard Leue''''' schreibt 2009 in seinem Buch "'''Wegmarken''' - Begegnungen mit für mich bedeutsamen Menschen des 20. Jahrhunderts" über Pastor Ewald Nay folgendes. | |||
'''Ewald Nay: „Wir arbeiteten trotzdem weiter“''' | |||
Kleines Porträt eines schlesischen Pfarrers | |||
Er war von Zuhause her kein Schlesier, sondern Niederlausitzer, 1894 als Pfarrerssohn in Finsterwalde geboren. Er studierte, unterbrochen von zwei Jahren als Soldat im 1. Weltkrieg, von 1914-1922 Theologie in Berlin, Tübingen und Heidelberg. Seine erste Pfarrstelle bekam er in der Neumark. | |||
Damals war sein Onkel Gottfried Nay Superintendent in Bad Muskau; der vermittelte ihm das Pfarramt in Klitten, wo er bis 1939 blieb. Von dort wechselte er an die Lutherkirche in Breslau. | |||
1944 wurde er nach Charlottenbrunn und Waldenburg-Altwasser verpflichtet, um die zum Krieg eingezogenen Ortspfarrer zu ertreten. Dort erlebte Nay den Einmarsch der Roten Armee und harrte bei der Gemeinde Altwasser noch ein ganzes Jahr unter polnischer Verwaltung aus, bis er am 7.Mai 1946 ausgewiesen wurde. Er hatte also nur 17 Jahre in Schlesien Dienst getan. Aber diese Jahre | |||
hatten es in sich. | |||
Als 1933 die Nationalsozialisten die Macht übernahmen und sich auch in Schlesien die Bekennende Kirche bildete, trat er ihr – in der strengen Naumburger Richtung – bei und verpflichtete den Gemeindekirchenrat auf die Barmer Theologische Erklärung. Dadurch bekam er ernste Schwierigkeiten mit den Nationalsozialisten. | |||
Ich lernte Nay 1943 – 1944 in der Lutherkirche in Breslau als Konfirmand kennen. Nay gab einen guten Unterricht, anschaulich, modern, zeitbezogen. Man merkte ihm an, daß ihn das Thema Glaube und Naturwissenschaft sehr bewegte. Bei ihm wurde in den Konfirmandenstunden diskutiert, auch über philosophische Probleme, z.B. Descartes' „Cogito, ergo sum“ – „Ich denke, also | |||
bin ich“. | |||
Da in seinem Bezirk die Universitätskliniken lagen, kümmerte er sich besonders um die Professoren und gehörte einem Hegel-Kreis an. | |||
Aber Nay konnte auch klare Stellung beziehen zu Tagesfragen, z.B. das furchtbare Ende in Stalingrad im Januar/Februar 1944. Da nannte er Hitler im Konfirmandenunterricht einen Verbrecher; und das nicht nur, weil sein Pflegesohn in Stalingrad mit kämpfen musste. Darauf gab es natürlich Verhöre bei der Gestapo; er wurde mehrmals angezeigt. In der Festung Breslau verlor er in Abwesenheit seine ganze Habe, als das Pfarrhaus und die Lutherkirche wegen der Anlegung eines Rollfelds gesprengt wurden. | |||
Die größte Bewährungsprobe aber mußte er 1945/46 in Waldenburg unter russischer und polnischer Herrschaft bestehen. Seine Frau war Schwedin und erhielt deshalb ein Ausreise-Angebot nach Schweden, dem sich Nay hätte anschließen können. Er tat es aber nicht, sondern ließ seine Frau allein fahren und diente weiter – oft unter Lebensgefahr – seiner Gemeinde. Er hat in diesem Jahr 1006 Beerdigungen halten müssen, darunter 131 Säuglinge, er hat eine Art Hilfswerk für die aus der Tschechoslowakei vertriebenen schlesischen Flüchtlinge organisiert – denen man nicht nur alles genommen hatte, sondern die man auch übel zugerichtet hatte – um ihnen ein Dach über dem Kopf und ein warmes Essen zu geben. | |||
Nay hat das alles in einem Bericht selbst beschrieben: „Es war eine Freude, unter diesen Schicksalen Pfarrer zu sein! Nun begann unsere große Zeit in Waldenburg. Die Angst saß einem zwar immer im Nacken. Wir arbeiteten trotzdem weiter. Mit dem katholischen Erzpriester Scholz gab es eine gute ökumenische Gemeinschaft.“ | |||
Nach seiner Vertreibung war Ewald Nay von 1946 bis 1962 Pfarrer in Bremen-Grambke, ehe er, schon krebskrank, in den Ruhestand ging. Ich konnte ihn vor der Berliner Mauer (1961) dort mehrfach besuchen und stand in regem Briefwechsel mit ihm. Er hat mich in Breslau als Konfirmand geprägt, auch durch den Konfirmationsspruch, den er mir gab: „Ich vermag alles durch den, der mich mächtig macht: Christus.“ |
Aktuelle Version vom 23. Januar 2012, 11:49 Uhr
Pastor Ewald Nay
- Geb.: 21.12.1894
- Gest.: 4.10.1965
- Von 1946 bis 1962 Pastor in Grambke
- Sein Grab befindet sich auf dem Grambker Friedhof.
Reinhard Leue schreibt 2009 in seinem Buch "Wegmarken - Begegnungen mit für mich bedeutsamen Menschen des 20. Jahrhunderts" über Pastor Ewald Nay folgendes.
Ewald Nay: „Wir arbeiteten trotzdem weiter“
Kleines Porträt eines schlesischen Pfarrers
Er war von Zuhause her kein Schlesier, sondern Niederlausitzer, 1894 als Pfarrerssohn in Finsterwalde geboren. Er studierte, unterbrochen von zwei Jahren als Soldat im 1. Weltkrieg, von 1914-1922 Theologie in Berlin, Tübingen und Heidelberg. Seine erste Pfarrstelle bekam er in der Neumark. Damals war sein Onkel Gottfried Nay Superintendent in Bad Muskau; der vermittelte ihm das Pfarramt in Klitten, wo er bis 1939 blieb. Von dort wechselte er an die Lutherkirche in Breslau. 1944 wurde er nach Charlottenbrunn und Waldenburg-Altwasser verpflichtet, um die zum Krieg eingezogenen Ortspfarrer zu ertreten. Dort erlebte Nay den Einmarsch der Roten Armee und harrte bei der Gemeinde Altwasser noch ein ganzes Jahr unter polnischer Verwaltung aus, bis er am 7.Mai 1946 ausgewiesen wurde. Er hatte also nur 17 Jahre in Schlesien Dienst getan. Aber diese Jahre hatten es in sich. Als 1933 die Nationalsozialisten die Macht übernahmen und sich auch in Schlesien die Bekennende Kirche bildete, trat er ihr – in der strengen Naumburger Richtung – bei und verpflichtete den Gemeindekirchenrat auf die Barmer Theologische Erklärung. Dadurch bekam er ernste Schwierigkeiten mit den Nationalsozialisten.
Ich lernte Nay 1943 – 1944 in der Lutherkirche in Breslau als Konfirmand kennen. Nay gab einen guten Unterricht, anschaulich, modern, zeitbezogen. Man merkte ihm an, daß ihn das Thema Glaube und Naturwissenschaft sehr bewegte. Bei ihm wurde in den Konfirmandenstunden diskutiert, auch über philosophische Probleme, z.B. Descartes' „Cogito, ergo sum“ – „Ich denke, also bin ich“. Da in seinem Bezirk die Universitätskliniken lagen, kümmerte er sich besonders um die Professoren und gehörte einem Hegel-Kreis an. Aber Nay konnte auch klare Stellung beziehen zu Tagesfragen, z.B. das furchtbare Ende in Stalingrad im Januar/Februar 1944. Da nannte er Hitler im Konfirmandenunterricht einen Verbrecher; und das nicht nur, weil sein Pflegesohn in Stalingrad mit kämpfen musste. Darauf gab es natürlich Verhöre bei der Gestapo; er wurde mehrmals angezeigt. In der Festung Breslau verlor er in Abwesenheit seine ganze Habe, als das Pfarrhaus und die Lutherkirche wegen der Anlegung eines Rollfelds gesprengt wurden.
Die größte Bewährungsprobe aber mußte er 1945/46 in Waldenburg unter russischer und polnischer Herrschaft bestehen. Seine Frau war Schwedin und erhielt deshalb ein Ausreise-Angebot nach Schweden, dem sich Nay hätte anschließen können. Er tat es aber nicht, sondern ließ seine Frau allein fahren und diente weiter – oft unter Lebensgefahr – seiner Gemeinde. Er hat in diesem Jahr 1006 Beerdigungen halten müssen, darunter 131 Säuglinge, er hat eine Art Hilfswerk für die aus der Tschechoslowakei vertriebenen schlesischen Flüchtlinge organisiert – denen man nicht nur alles genommen hatte, sondern die man auch übel zugerichtet hatte – um ihnen ein Dach über dem Kopf und ein warmes Essen zu geben.
Nay hat das alles in einem Bericht selbst beschrieben: „Es war eine Freude, unter diesen Schicksalen Pfarrer zu sein! Nun begann unsere große Zeit in Waldenburg. Die Angst saß einem zwar immer im Nacken. Wir arbeiteten trotzdem weiter. Mit dem katholischen Erzpriester Scholz gab es eine gute ökumenische Gemeinschaft.“ Nach seiner Vertreibung war Ewald Nay von 1946 bis 1962 Pfarrer in Bremen-Grambke, ehe er, schon krebskrank, in den Ruhestand ging. Ich konnte ihn vor der Berliner Mauer (1961) dort mehrfach besuchen und stand in regem Briefwechsel mit ihm. Er hat mich in Breslau als Konfirmand geprägt, auch durch den Konfirmationsspruch, den er mir gab: „Ich vermag alles durch den, der mich mächtig macht: Christus.“