Ein grünes Stückchen Erde mitten in der Stadt
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Ein grünes Stückchen Erde mitten in der Stadt
Weser-Kurier vom 29.7.2004
- Mit Naturschutzwächter Heinrich Müller unterwegs im Werderland: Berichte von Industrieplänen, FKK-Fans, Kormoranen und mehr
- Von unserem Mitarbeiter Florian Schröder
- Werderland. Dieses grüne Stück Land entlang der Lesum und der Weser - es wirkt, als sei es nie anders gewesen. Doch das Werderland musste sich im Laufe der Jahrhunderte vielen Veränderungen unterwerfen. Naturschutzwächter Heinrich Müller erinnert sich im Rahmen einer Führung an die nähere und fernere Geschichte.
- Vor fast 1000 Jahren begann die Entwicklung des Werderlandes. Vor fast einem Jahrtausend, als Weser und Lesum zusammenflossen und der Teil in der entstandenen Gabelung auf eben diesen Namen getauft wurde. Es wurde zum Bauern- und Weideland und blieb es über die Jahrhunderte hinweg.
- So waren die Kleine und Große Dunge landwirtschaftliche Güter, auf der unter anderem der frühere Bürgermeister Smidt seine Sommerresidenz bauen ließ. Bremer Kaufleute pachteten einige Landteile, die sie jahrhundertelang nicht mehr aus den Händen gaben. Bis ins 19. und 20. Jahrhundert, als Industrialisierung und Wohnungsbau auch in diesen unberührten Teil Bremens vordrang. So wurde unter anderem der Martensche Hof, der bis dato älteste Hof des Werderlandes, enteignet.
- Auch am Dorf Mittelsbüren gingen die Firmen nicht vorbei. Die landwirtschaftlichen Güter wurden vom Land enteignet, um die Klöckner-Werke ansiedeln zu können, wofür die Bauern allerdings eine Entschädigung bekamen. Damals sagte man, so fällt Müller ein: "Wenn das Geld im Topfe klingt, der Bauer aus Mittelsbüren springt."
- Die Klöckner-Werke siedelten vor fast 50 Jahren sich in unmittelbarer Nähe an und Wohnhäuser sollten zwischen der Kleinen und Großen Dunge entstehen. Zu letzterem kam es dann doch nicht. Die Stahlwerke hatten Sorge wegen der Lärmbelästigung und der Schadstoffausstöße und appellierten an das Land Bremen, diese Bebauungen lieber auf Eis zu legen. Sogar ein Friedhof sollte dort errichtet werden, wo ehemals ein Weg direkt auf die Mittelsbürener Landstraße führte. Auch aus diesem Vorhaben wurde nichts.
- Heinrich Müller trauert diesen gescheiterten Pläne überhaupt nicht nach. Zusammen mit den Naturschutzverbänden und den Bürgervereinen aus Burg und Grambke habe man es in den 80er Jahren nicht einfach gehabt, gegen diese Industrieübermacht anzukämpfen.
- Inzwischen ist im Werderland auch ein Sandentnahmesee entstanden, der als Ersatz für das Heidbergbad eine Badebucht bekommen soll, was ebenso umstritten ist, wie Pläne, dort auch eine Regatta-Strecke anzulegen. Die finde bei den Werderland-Bewohnern nicht unbedingt Beifall, so Naturschutzwächter Müller.
- Etwa 1000 Meter lang und knapp 300 Meter breit ist der See. Für eine Regatta-Strecke müsste der See um weitere 1000 Meter verlängert werden. Doch bislang sei nichts aus diesem Vorhaben geworden, da es noch keine Infrastruktur gebe und auch die Errichtung einer Wachstation für die DLRG im Bereich des geplanten Badestrandes noch nicht vorangekommen sei. Allerdings werde der Sandentnahmesee verbotenerweise schon von Badenden und aufgrund seiner Abgelegenheit auch von FKK-Anhängern genutzt. "Die schrecken auch vor dem Schild ’Baden verboten’ nicht zurück", grinst Heinrich Müller. 241 von 700 Hektar Werderland sind offiziell Naturschutzgebiet, was Müller unter anderem in seiner siebenjährigen Tätigkeit als einer von drei BUND-Vorsitzenden erreicht hat. So sind nun am Dungersee Seefrösche, Kreuzkröten und Teichmolche am Wasser vorzufinden. Stock-, Reiher- Löffelenten, Haubentaucher, Teichhühner, Eisvögel und die Kormorane brüten hier. Durch die Lüfte schweben Bussarde, Habichte und
- Als gerade eine Ente auf dem Wasser landet, erinnert sich Müller an das Jahr 1978. Da bauten Gefängnisinsassen den gesamten Uferbereich des Dunger Sees inklusive eines Guckstandes. "Aber die hatten natürlich auch ihre Privilegien", gibt der Naturschutzwächter zu. "Dann kamen auch mal Frauen für zwei Stunden vorbei." Trotz allem: Die Häftlinge legten den Grundstein für die Entwicklung der Gewässer.
- Selbst für Kinder gebe es viel zu entdecken im Werderland, erklärt Müller. Streuobstwiesen wurden vor nicht allzu langer Zeit eingerichtet. Die Bäume haben allerdings noch keine wirklich stattliche Größe. Außerdem beherbergt eine Insekten-Nisthilfe am Rande des Dunger Waldes Wildwespen und -bienen. Die finden in diesem Gebiet auch reichlich Spinnen, Fliegen und Mücken.
- Und schon fällt Heinrich Müller noch eine Anekdote ein. Einmal habe er Studenten der Universität Bremen durchs Werderland geführt. "An dem Tag war es besonders warm und die Stechmücken flogen", erinnert sich der Naturschutzwächter und kann sich ein Lachen nicht verkneifen. Da habe er durchaus seinen Spaß gehabt mit den jungen Leuten, die permanent um sich fuchtelten und schlugen.
- Das Werderland wird vielfältig genutzt. Bislang siegte der Naturschutz über die Industrie. Wenn man den Fasan fliegen, die Enten schwimmen sieht und die Insekten surren hört, möchte man hoffen, dass es so noch ein Jahrtausend so weitergeht.