Georg Gottfried Treviranus

Aus Ev. Kirchengemeinde Grambke
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Pastor Georg Gottfried Treviranus

Pastor G.G.Trevianus.jpg
  • TREVIRANUS, Georg Gottfried, * 12.1. 1788 in Bremen, + 22.8. 1868 ebd.,
  • einflußreicher Pastor in der Bremer Erweckungsbewegung. Tr. entstammte einem Pfarrergeschlecht, dessen Linien sich bis ins 16. Jahrhundert zurückverfolgen lassen.
  • Sein Vater, Gottfried Reinhold Tr., verheiratet mit Gesine Judith Duckwitz, war jedoch Kaufmann. Tr. war ein Neffe des einflußreichsten Bremer Politikers im 19. Jahrhundert, des Bürgermeisters Johann Smidt. Durch den unter dem Einfluß der Aufklärung stehenden Ansgarii Prediger Petri wurde Tr. in der Osterzeit 1802 konfirmiert. Zunächst erlernte er einen kaufmännischen Beruf, den er vier Jahre hindurch ausübte. Dann erwuchs der Wunsch zum Studium, das er mit der Einwilligung des Vaters zunächst am Bremer Gymnasium Illustre, dann ab 1808 in Göttingen aufnahm. Dort hörte er u.a. den Kirchenhistoriker und Unionsfreund Gottlieb Jakob Planck. Planck führte einige Jahre später die Korrespondenz der in Göttingen ansässigen Bibelgesellschaft mit der großen Britischen Hauptgesellschaft. Der Kauf einer eigenen deutschen Bibel durch Tr. während seiner Göttinger Zeit kann erstes Zeichen einer Hinwendung zum biblischen Glauben sein. Danach studierte Tr. in Tübingen. Während dieser Zeit machte er Erfahrungen, die für seine geistliche Haltung im Pfarramt prägend wurden. Noch während Tr. in der traditionsreichen schwäbischen Universitätsstadt weilte, wurde er bereits im Sommer 1810 zum Pfarrer der Gemeinde in Grambke-Mittelsbühren bei Bremen gewählt. Er nahm diese Wahl an, widmete sich aber im Wintersemester 1810/11 weiteren Studien in Göttingen.
  • Dann schloß sich eine Blitzkarriere an:
    • 23.4. 1811 Prüfung in Bremen,
    • 28.4. Probepredigt,
    • 1.5. Ordination und
    • 12.5. 1811 Einführung in seinen Dienst durch den Gröpelinger Pfarrer W. J. Büsing. Tr. wohnte in Mittelsbühren. Dort trieb er insbesondere Studien im Alten Testament und beschäftigte sich mit den Schriften des wohl bedeutendsten und originellsten Bremer Erweckungspredigers Gottfried Menken.
    • Schon am 25.9. 1814 erfolgte die Wahl von Tr. als zweiter Prediger an die St. Martinikirche, wo er bis 1825 zusammen mit Menken wirken sollte. Nach dem Ausscheiden Menkens wurde Tr. am 10. Okt. 1826 zum Pastor prim. gewählt. Neben den großen Kanzelrednern Menken, Friedrich Mallet und Johann Heinrich Bernhard Dräseke, später auch Friedrich Adolph Krummacher, hatte Tr. auf der Martini-Kanzel keinen leichten stand. Seine bedeutendste Wirkung erzielt er durch seine enorme Kontaktfähigkeit und die vielen Begegnungen. Vermutlich war er in seiner Zeit einer der besten Kenner der Situation in Bremen. Daneben führte er eine lebhafte Korrespondenz mit führenden Vertretern der Erweckungsbewegung.
  • Er gehörte schon früh zu den Korrespondenten der Deutschen Christentumsgesellschaft, deren Sitz in Basel war. Als Sekretär der von Menken geförderten Bremer Bibelgesellschaft führte er den Schriftwechsel mit der Britischen und Auswärtigen Bibelgesellschaft in London. Mit den Leitern der Basler Missions-Gesellschaft (Wilhelm Hoffmann, Friedrich Joseph Josenhans und Johann Christoph Blumhardt) führte er eine reiche Korrespondenz, deren Umfang aber noch deutlich überboten wurde durch den Schriftwechsel mit seinem Hamburger »Freund« Johann Hinrich Wichern. 1846 reiste Tr. zur Gründung der Evangelischen Allianz nach London. 1848 nahm er an dem folgenreichen Wittenberger Kirchentag teil, der auch die Grundlagen für die spätere Innere Mission schuf. Er lud diesen Kirchentag 1852 im Auftrag der in Bremen inzwischen gebildeten Inneren Mission in die Hansestadt ein und war für dessen Vorbereitung verantwortlich. Damit ist die Weite seiner Beziehungen angedeutet, die auch im Hinblick auf internationale und überkonfessionelle Beziehungen beachtlich war. Das muß gesehen werden im Zusammenhang seiner vielfältigen Vereinstätigkeit, die aus dem angelsächsischen Methodismus nachhaltige Impulse empfing.
  • Auf seine Liebe zu den Menschen und sein großes Talent für Organisation sind eine ganze Reihe Vereinsbildungen zurückzuführen, z.B. der kleine Frauenverein (1814) und der große Frauenverein (1816). Seinem Einsatz ist es zu verdanken, daß die in Verbindung mit Johann H. Wichern von dem späteren Baptisten Johann Gerhard Oncken nach Bremen gebrachte englische Sonntagsschule (seit 1834) trotz mancher Probleme überleben konnte. Diese Sonntagsschule vermittelte den Kindern, die keinen Schulunterricht bekamen, auch weil die in der Zigarrenfabrikation tätig sein mußten, an den arbeitsfreien Sonntagen einige Grundkenntnisses im Lesen und Schreiben. Hier liegt ein Wurzelstrang für die überregionale Bedeutung, die Bremen später für die Sonntagsschul- und Kindergottesdienstbewegung in Deutschland (s. L. Tiesmeyer, P. Zauleck) bekam. Neben dieser stark sozial ausgerichteten Arbeit wurde der Verein für entlassene Strafgefangene aus der Tätigkeit, die Tr. als Seelsorger im »Arbeitshaus« durch seine 14-tägigen Bibelstunden im Auftrag des Senats ausübte, von ihm gegründet (1837).
  • Ganz wichtig war der für ein Jahrzehnt von ihm geführte Verein für die protestantischen Deutschen in (Nord-) Amerika, der sog. Auswandererverein zwischen 1839 und 1849, der ihm Einblicke in die Situation von Kirche und Gesellschaft in Nordamerika vermittelte. Fünf seiner Kolonistenprediger ließ er im Rauhen Haus, das er erstmals 1838 besuchte, ausbilden.
  • Es folgte die Gründung des Männer Krankenvereins (1840/41). An der Schaffung eines Vereinshauses »Concordia« für alle diese Gruppen (1841) war er, wie die von ihm gehaltene Einweihungsrede zeigt, führend beteiligt. Auch der »Ellener Hof« (1846/47), ein Heim für verwahrloste Kinder, ist seiner Initiative und Wicherns Hilfe zu verdanken. Zu dieser Zeit war auch ein »Verein zur Pflege armer Wöchenerinnen« tätig. Ebenso ein »Lehrburschen-Verein«. Schließlich wurde bald nach der Revolution der Verein für Innere Mission (1849) gebildet, angeregt wieder durch Wicherns Vorträge. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, daß Tr. bereits seit 1849 als »Agent des Centralausschusses« der gerade gebildeten Inneren Mission in Deutschland tätig war. Seit dem 7. Okt. 1849 führte er in Bremen Abendgottesdienste ein, die oft von August Gottlieb Wimmer (s.d.) gehalten wurde. Wimmer war von der Bremer Inneren Mission in Verbindung mit Tr. angestellt worden. In dem 1819 gebildeten Missionsverein, der 1835 der Norddeutschen Mission eingefügt wurde, war er lange Zeit tätig.
  • Neben seiner frühen Mitwirkung in der Bremer Bibelgesellschaft (seit 1815) und deren London-Beziehungen, sammelte er auch im Rahmen der Missionsgesellschaft internationale Erfahrungen. 1850 übernahm Tr. das Amt des Präsidenten. In dem von Friedrich Mallet gegründeten ersten deutschen Jünglingsverein (1833/34) hielt Tr. von Zeit zu Zeit Bibelstunden. Es ist zu vermuten, daß er auch im Verein für Dürftige mitgewirkt hat; Kranke Soldaten betreute er seelsorgerlich. Während die großen Prediger Mallet, Dräseke und F. A. Krummacher an ihren Predigten feilten, von denen viele später im Druck erschienen, war Tr. rastlos unterwegs, um mit seiner erwecklichen Botschaft und der diakonischen Zuwendung immer wieder anderen Menschen in ganz unterschiedlichen Lebenssituationen zu begegnen und beizustehen.
  • Er arbeitete mit den Pastoren eng zusammen, die der Erweckungsbewegung nahestanden, besonders den Teilnehmern des 14-tätigen Pastorentreffs `Kleiner Dienstag`(mit Fr. Mallet, G. von Hanffstengel und A. Toel), aber auch mit Senatoren, Kaufleuten und anderen einflußreichen Bremern. Im Jahre 1815 hatte Tr. Mathilde Castendyk, die Tochter eines Senators, geheiratet. Er konnte 1861 nach 50 Jahren zunächst sein Ordinations-Jubiläum feiern, 1864 sogar seine 50jährige Tätigkeit an der innerstädtischen St. Martinigemeinde, die er - weil sie direkt an der Weser liegt - gelegentlich von Wasser überflutet gesehen hat. 1866 trat er in den Ruhestand.
  • Erwähnenswert ist, daß von 1839 bis 1841 Friedrich Engels durch die Vermittlung seiner Wuppertaler Freunde im Hause Tr. wohnte, als er zu seiner kaufmännischen Lehre in Bremen weilte. Das Denken von Tr. war von einer aktiven Bibelgläubigkeit geprägt. Seine Frömmigkeit war stark auf den praktizierten Glauben hin orientiert. Ganz im Sinne der Erweckungsbewegung war ihm konfessionelle Abgrenzung fremd. Mit den Gliedern der Bremer Sozietät der Brüdergemeine stand er auf gutem Fuß und als 1849 die methodistische Kirche durch Ludwig S. Jacoby (s.d.) ihre Tätigkeit in Bremen aufnahm, erhob er keine Einwände. Er war in ökumenischer Weite ein Vorkämpfer der Union, der das kirchliche Leben Bremens im 19. Jahrhundert nachhaltig beeinflußt hat. Die Universitäten Göttingen und Berlin verliehen Tr. 1861 die Ehrendoktorwürde.
  • Werke: Zur Vorbereitung auf das heilige Abendmahl, o.J.; Wie wurde Bremen aus einer lutherischen Stadt eine reformierte?, in: Bremer Kirchen-Bote, hrsg. v. Friedrich Mallet, 1832, 80-104 u. 163-180; Predigt (Mk. 15, 37-47), in: Bremer Kirchen-Bote 1832, 215-225; Die Säulen der Welt, in: Bremer Kirchen-Bote 1832, 167-182; Bericht über eine Reise ins Tecklenburger Land, in: Bremer Kirchen-Bote 1832 f; Sendschreiben an Phlegon, In Beziehung auf die erste Abendunterhaltung Gamalies und seiner Freunde, 1836; Der Heidelberger Katechismus und seine Verfasser, in: Bremer Kirchen-Bote 1839, Nr. 9-11; Ich bin krank gewesen und ihr habt mich besucht, in: Bremer Kirchen-Bote 1840, Nr. 35 u. 36; Verein zur Pfleger armer Wöchnerinnen, in: Fliegende Blätter, hrsgg. v. Johann Hinrich Wichern, 1847, 121 ff.; Zur Erinnerung an die Einweihung der Fahne des Lübeck-Bremischen Bataillons am 30. August 1840 in Bremen, 1849; Bekenntnis bremischer Pastoren in Sachen der Wahrheit, u.a. von G. G. Trev. unterzeichnet, 1846; Zum Gedächnis des sel. Dr. theol. Friedrich Ludwig Mallet, Leichenreden ( G.G.Trev., Thomas Achelis, Hermann Wilhelm Mallet), 1865; Zum dankbaren Gedächnis an den am 22. August 1868 heimgegangenen Past. prim. D. Georg Gottfried Treviranus, Bremen 1868; Letzte Predigt von G.G.Trev. und die bei seiner Beerdigung gehaltenen Reden, 1868; 12 Briefe an Carl Wilhelm Moritz von Snethlage, 5 Briefe an Friedrich Mallet, 1 Brief an seine Frau, ein weiterer an seine Enkelin Meta, in: Ludwig Tiesmeyer, G. G. Tr., weiland Pastor prim. an St. Martini in Bremen, in seinem Wirken und Leben dargestellt, 1879. Aus unveröffentlichten Briefen des Pastors G.G. Tr., in: Hospitium Ecclesiae. Bd. 6, hrsg. v. Bodo Heyne, 1969, 82-85. Unveröffentlichte Briefe: Archiv des Rauhen Hauses Hamburg (422 Briefe an Johann Hinrich Wichern), auch Briefe Wicherns an Treviranus; Archiv der Basler Mission, 47 Briefe Treviranus an die Inspektoren Wilhelm Hoffman, Friedrich Joseph Josenhans und Johann Christoph Blumhardt; Staatsarchiv Basel: 6 Briefe an Christian Friedrich Spittler; Archiv der British and Foreign Bible Society London, versch. Briefe betr. die Bremer Bibelgesellschaft.
  • Lit.: o. V., Zur Feier des fünfzigjährigen Jubiläums Herrn Pastor Primarius Georg Gottfried Treviranus an St. Martini in Bremen am 1. Mai 1861; - o. V., Zur Jubelfeier der 50-jährigen Amtswirksamkeit des sel. Herrn Pastor Dr. Treviranus in der Gemeinde St. Martini am 18. Dez. 1864; - Tr. Nachfolger: Bremer Kirchenblatt 1866, Nr. 47; - Briefe Friedrich Mallets an G. G. Trev. (1861-1865), in: Friedrich Mallet, hrsg. v. Hermann Mallet, Neues und Altes, Bremen 1868; - Johann Hinrich Wichern, Nachruf, in: Fliegende Blätter 1868, 313-319; - Nekrolog, in: Neue Ev. Kirchen-Zeitung, 1868, Nr. 50 u. 52, 1869, Nr.2; - Ludwig Tiesmeyer, G. G. Trev., weiland Pastor prim. an St. Martini in Bremen in seinem Wirken und Leben dargestellt, 1879; - Ludwig Tiesmeyer, Die Erweckungsbewegung in Deutschland, Heft 10, 1908; - Carl Büttner, G.G.Trev., in: Bremische Biographien des neunzehnten Jahrhunderts, 1912, 19762, 492 f.; - Karl Kupisch, Der Deutsche CVJM, 1958, 16 ff.; - Bodo Heyne, Die kirchlichen Bemühungen um die Auswanderung des 19. Jahrhunderts in Bremen, in: Hospitium Ecclesiae, Bd. 3, hrsg. v. Bodo Heyne, 1961, 64-84; - Walter Schäfer, G.G.Trev., Wicherns Freund, 1963; - Walter Schäfer, G. G. Trev., der Bahnbrecher des freien Vereinswesens und der christlichen Liebestätigkeit in Bremen, in: Hospitium Ecclesiae, Bd. 4, 1964, 53-66; - Walter Schäfer, Der Bremer Erweckungsprediger G.G.Tr. in seinem Verhältnis zu Friedrich Engels und Gottlieb August Wimmer, in: JB des Vereins für niedersächsische Kirchengeschichte, 62. Bd., 1964, 151-161; - Walter Schäfer, Wimmers Bremer Volksmission im Urteil des Treviranus, in: JB des Vereins für niedersächsische Kirchengeschichte 1964; - Otto Wenig, Rationalismus und Erweckungsbewegung in Bremen, 1966, 120-130; - Gottfried Mai, Die Bemühungen der evangelischen Kirche um die deutschen Auswanderer nach Nordamerika (1815-1914), 1972, 69 ff.; - Cornelius August Wilkens, G.G. Tr., Kurzer Ausschnitt aus den Lebenserinnerungen, in: Hospitium Ecclesiae, Bd. 8, hrsg. v. Bodo Heyne, 1973, 116; - Karl Heinz Voigt, G. G. Trev. - Mitbegründer der Evangelischen Allianz in London 1846, in: Hospitium Eccelsiae, Bd. 8, 1973, 66-80, auch in: MITTEILUNGEN der Studiengemeinschaft für Geschichte der Ev.-methodistischen Kirche, 1982/2, 4-18, Kurzfassung auch in: Ev. Allianzblatt 1973, 152-156; - ADB, Bd. 38, 1894.

Informationen von Karl Heinz Voigt