Kohlessen

Aus Ev. Kirchengemeinde Grambke
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Kohlessen / Kohlfahrten

Ein traditionelles Winteressen

  • Alle Jahre wieder ist in der Zeit von November bis Februar, von Cuxhaven bis Osnabrück und zwischen Uelzen und Papenburg, Grünkohlzeit. Das frühere Grundnahrungsmittel der armen Leute ist heute eine Delikatesse - vor allem in Kombination mit seinen Fleischbeilagen, für die oft stellvertretend die Bezeichnung "Pinkel" steht. "Pinkel" ist eine fette Grützwurst, die dem Kohl beim Kochen beigegeben werden kann, und ihm Würze verleiht. Man kann den Kohl aber durchaus auch vegetarisch zubereiten.

Grünkohl, Braunkohl, Federkohl, Krauskohl

  • Grünkohl gehört zur Familie der Kreuzblütengewächse (Brassicaceae). Es ist ein typisches Wintergemüse, welches fertig zubereitet dem Spinat optisch etwas ähnlich ist. Es handelt sich jedoch um eine Zuchtform des Kohls (Brassica oleracea). Regional wird er auch Braunkohl oder Krauskohl genannt. In der Schweiz ist er unter dem Namen Federkohl bekannt. Im Osten Nordrhein-Westfalens trägt er den schönen, seinen Wuchs umschreibenden Namen Lippische Palme, weiter nördlich Oldenburger oder Friesische Palme. In der Grafschaft Bentheim sagt man schlicht "Moos" und bereitet ihn als Eintopf zu.

Nährstoffwunder Grünkohl

  • Doch trotz aller seiner fetten Zutaten ist ein Grünkohlessen gesund: Durch seinen hohen Gehalt an Vitaminen, Mineralstoffen und Eiweiß gilt dieses Wintergemüse als nahrhaft und als wahres Wunder gegen Infekte in der kühlen Jahreszeit. Sogar nach längerem Lagern und nach dem Kochen bleibt sein Vitamin C erhalten, und auch Frost kann ihm nichts anhaben. Im Gegenteil: der Frost verwandelt die in den Blättern enthaltene Stärke in Zucker und gibt dem sonst herben Grünkohl ein leicht süßliches Aroma.

Braunkohl versus Grünkohl

  • Für Botaniker steht fest: diese Kohlart heißt "Brassica oleracea acephala". Über die genaue regionale Bezeichnung des Grünkohls herrscht jedoch Uneinigkeit. Im Oldenburger Raum nennt man ihn wegen seiner Form auch "Oldenburger Palme", für andere ist er die "lippische" oder "friesische Palme". Eingefleischte Bremer bestehen darauf, dass er Braunkohl heißt. Seine unterschiedlichen Färbungen je nach Zubereitung geben der jahrhundertealten Fehde der Oldenburger und Bremer über den "richtigen Namen" des Kohls immer wieder neue Nahrung. Inzwischen einigte man sich darauf: in Bremen heißt er Braunkohl, denn hier ist es üblich, den am Vortrag gekochten Kohl wiederaufgewärmt zu servieren - und der ist eben bräunlich.

Schon in der Antike beliebt

  • Von allen Kohlsorten ist Grünkohl der Wildform des Kohls am nächsten. Seinen Ursprung hat er im alten Griechenland. Dort wird erstmals 400 v. Chr. ein krausblättriger Blattkohl beschrieben, der bei den Griechen sehr beliebt war. Antike Gelehrte sagten dem Grünkohl sogar Heilkraft nach - besonders gegen die Folgen von ausufernden Trinkgelagen. Auch Hippokrates, einer der ersten Heilwissenschaftler, pries die heilsame Wirkung von aufgewärmtem Grünkohl bei Schmerzen. Heiseren Sängern empfahl er eine Kohlbrühe mit Rosinen. In der altrömischen Küche galt der Grünkohl als Delikatesse und die römischen Bauern brachten es mit ihrer großen Vielfalt an verschiedenen Grünkohlsorten zu Reichtum. Bis ins 19. Jahrhundert galt der Grünkohl als Bestandteil der kultischen Frühlingsmahlzeiten, die nach den überstandenen Wintermonaten neue Kraft verleihen sollten. Noch heute wird in Teilen Ostfrieslands am Gründonnerstag Grünkohl gegessen, um damit den Winter zu verabschieden und den Frühling zu begrüßen.

Das ideale Futter für Mensch und Tier

  • Seit wann der Grünkohl bei den Germanen in dem für ihn idealen feuchtkalten Klima kultiviert wird ist nicht genau überliefert. Doch nicht nur hierzulande wuchs der Vitaminspender - auch in Dänemark, Schottland, Portugal, in den Südstaaten der USA und in Afrika wird Grünkohl auch heute noch angebaut. Für die Bevölkerung in Nordwestdeutschland wurde Grünkohl in den vergangenen Jahrhunderten neben der Kartoffel zum Hauptnahrungsmittel der Winterzeit. Schließlich stellt er wenige Ansprüche an den Boden und seine Strünke lassen sich gut an das Vieh verfüttern. In vielen Gärten wurde früher Grünkohl angebaut. Der Bremer Straßenname "Kohlhökerstraße" zeugt von den Kohlgärten, die im 18. Jahrhundert einen Ring um die Bremer Altstadt bildeten.

Auf dem Speiseplan des Schaffermahls

  • Grünkohl blieb aber nicht nur den "niederen Ständen" vorbehalten. Sogar beim Schaffermahl wurde und wird Grünkohl gereicht - dort allerdings mit der üppigen Fleischbeilage, die sich die "kleinen Leute" damals nicht leisten konnten. Seit Beginn des traditionellen Festessens 1545, zu dem früher Kapitäne und Kaufleute geladen wurden, steht "Braunkohl und Pinkel" als Hauptgericht auf dem Speiseplan. Trotz dieser "Adelung" des Grünkohls galt er lange als Arme-Leute-Speise

"Eine ungeheure Kumme voll braunen Kohls"

  • Der Brabanter Gelehrte Justus Lipsius zeigte sich 1586 in einem Reisebericht entsetzt über die Tafelsitten im Oldenburger Land: "Da bin ich in Oldenburg. Wo liegt das Ding, wirst du fragen? Es ist ein westphälisches Städtchen, ein wahres Nest. (...) Alles Übel, was Menschen treffen kann, hat mich betroffen. (...) Und die Speisen - kaum menschlich sind sie. (...) Nun denke dir die Kost in den hiesigen Wirtshäusern! Was sag' ich, Wirtshäuser? Ställe sind es. (...) Da sitzt man dann mit Fuhrleuten und Schweinetreibern ums Feuer. (...) Siehe da, das erste Gericht! Dicker Speck und roh dazu! Oh mein armer Magen! Was soll ich machen? (...) Doch da kommt der ersehnte zweyte Gang, die Hauptschüssel! Eine ungeheure Kumme voll braunen Kohls! Einen Finger breit darüber her fließt die Brühe von Schweinefett. Diesen Ambrosia essen meine Westphälinger nicht, sie verschlingen ihn. Mich ekelt er an."

Pinkelwurst und Kassler

  • Fettig ist ein klassisches Grünkohlgericht auch heute noch. Unverzichtbar ist bei den meisten Kohl- und Pinkelessen die Pinkelwurst. Ihre Außenhülle besteht eigentlich aus dem fetthaltige Mastdarm eines Rindes - der auf plattdeutsch "Pinkel" heißt. Obwohl man auf den Darm heute verzichtet und stattdessen Leinen- oder Kunststoffhüllen verwendet, hat sich der Name Pinkel gehalten. Innen befinden sich Würfelspeck, Gerstengrütze, Rindertalg, Schweineflomen, Zwiebeln, Salz, Pfeffer und Gewürze - das Rezept variiert von Schlachterei zu Schlachterei. In Bremen und Oldenburg gehören auf den Fleischteller auch noch: Kasseler Rippenspeer, Kochwurst oder Rauchenden und durchwachsener Speck. Den Westfalen essen als Beilage Mettenden, die Hannoveraner und Braunschweiger bevorzugen Bregenwurst.
Nicht zu vergessen sind Kartoffeln als Beilage. Und als Getränk gehören Bier und Korn dazu.

Die Kohlfahrt

Eine nordwestdeutsche Tradition

  • Auswärtigen mag diese norddeutsche Tradition merkwürdig vorkommen - da stapfen ganze Belegschaften, Freundeskreise oder Vereine angetrunken bei eisiger Kälte durch den Matsch, um sich danach mit Unmengen von fettem Essen abzufüllen. Doch für viele "eingeborene" Nordwestdeutsche ist die Kohlfahrt das Normalste der Welt.

Der Bremer und Oldenburger "Wintersport"

  • Zwischen Anfang November und Ende Februar tummeln sie sich wieder auf Feldwegen, in Wäldern, auf den Deichen. Es sind zehn oder fünfzig, vielleicht sogar um die hundert Leute. Bunt kostümiert sind einige von ihnen, alle eingepackt in Schal und Mütze. Einer aus der Gruppe zieht einen Bollerwagen hinter sich her, und in dem klirren verräterisch die Schnapsflaschen aneinander. Ein Eierbecher oder ein Schnapsglas baumelt um die Hälse, und hier und da hat sich jemand ein Kohlblatt ans Mantelrevers geheftet


Bollerwagen mit Grünkohl

Mit Schnaps und Bollerwagen

  • Manche Beobachter würden sich der lauten Truppe gerne anschließen, denn was sie erwartet ist klar: ein gehaltvolles Kohl- und Pinkelessen. Andere aber suchen beim Anblick einer Kohlfahrt lieber das Weite - schließlich wird es nicht lange dauern, bis der mitgebrachte Alkohohl eingeschenkt und die ersten ziemlich angeheitert sind.


Braunkohl und Pinkel nach Bremer Art

Ein Rezept für 4 Personen

  • Zutaten
1 TL Salz
250 g Kassler pro Person
1 Pinkel pro Person
2 EL Hafergrütze
1/2 l Wasser oder Fleischbrühe
2 kg Braunkohl
5 TL feingehackte Zwiebeln
1 TL Pfeffer
2 TL Senf
1 Kochwurst pro Person

Kohl vorbereiten

  • Am besten schmeckt der Kohl, wenn er bereits Frost bekommen hat (zur Not kann man sich mit der Tiefkühltruhe behelfen). Man verliest ihn, indem man die großen Blätter und die dicken Rippen ablöst. Dann wird der Kohl gewaschen, mit kochendem Wasser überbrüht und ganz grob gehackt

Zubereitung

  • Die Zwiebeln werden in dem heißen Schmalz angedünstet, dann schichtweise der vorbereitete Kohl, Hafergrütze, Zucker und Salz hineingegeben, die heiße Brühe darüber gegossen und alles zehn Minuten gekocht. Dann den Topf gut durchschütteln, fest zudecken und 2-3 Stunden sanft schmoren lassen. Die Pinkelwurst wird in der letzten Stunde auf den Kohl gelegt und mitgekocht. Außer der Pinkel kann man auch noch Kassler, Kochwürste sowie Bauchspeck, der vorher gesalzen wurde, mitkochen, wobei Kassler und der Bauchspeck schichtweise mit dem Kohl in den Topf gelegt und dann von Anfang an mitgekocht werden. Pinkel und Kochwurst kommen wie oben in der letzten Stunde oben auf. Man kann die Pinkelwurst auch beim Kochen zerplatzen und sich mit dem Grünkohl vermischen lassen.
  • In Bremen ist als Vorspeise zum Grünkohl Hochzeitssuppe beliebt. Als Nachspeise wird gerne Rote Grütze serviert.


[Autorin: Rebecca Maskos]